Vor kurzem wurde bei einem Unfall mit einem Erdgasauto in Deutschland der Fahrer schwer verletzt. Er hat vor der Polizei angegeben, dass er sich im Auto eine Zigarette angezündet hat, worauf es zu einer Verpuffung des Gases gekommen ist. Laut weiterer Angaben des Fahrers wurde im Fahrzeug ein zusätzlicher Tank eingebaut, um die Reichweite zu verlängern. Die Ermittlungen hinsichtlich der Unfallursache laufen derzeit. ATG sprach zu diesem Thema mit DI (FH) Peter Jurik, Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen, Referent Bereich Wärme und CNG, sowie Ing. Herbert Kitzler, Konsulent für alternative Kraftstoffe und Fahrzeugantriebe.
ATG: Meine Herren, was können Sie unseren Lesern über den Vorfall berichten?
Jurik: Man muss, wenn man ein Auto umbaut bzw. umbauen lässt, ganz gleich welchen Antrieb es hat, ob Benzin, Diesel, Erdgas, Flüssiggas oder sonst etwas, immer die Regeln der Technik einhalten und grundsätzlich den Umbau von einer autorisierten technischen Prüfstelle genehmigen lassen.
Kitzler: Im speziellen Fall ist derzeit unbekannt, ob der zusätzlich eingebaute Tank ein den Normen bzw. der Gesetzgebung entsprechender Tank war und ob dessen Einbau gesetzeskonform erfolgt ist. Es sieht so aus, dass der Autobesitzer unter Umständen selbst und unsachgemäß den zusätzlichen Tank eingebaut hat.
Jurik: Wir wissen weiters nicht, ob dieser Tank durch einen Fachmann mit entsprechender Ausbildung und der Befähigung, Gasanlagen umzubauen, eingebaut wurde.
Kitzler: Die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug wäre jedenfalls erloschen, wenn er ohne nachfolgende Genehmigung an der Gasanlage Veränderungen durchgeführt hat. Das ist genauso, wie wenn man an den Bremsen herumbastelt oder an irgendwelchen anderen Bauteilen, sodass das Fahrzeug bzw. dessen Bauteile nicht mehr der ursprünglichen Typengenehmigung entsprechen.
ATG: Welche Sicherheitsvorkehrungen hat ein Erdgasauto?
Kitzler: Es gibt eine Reihe von Sicherheitseinrichtungen, insbesondere und mehrfach gegen das Ausströmen von Gas und das Bersten der Tanks. Es sind systembedingt mehr Sicherheitseinrichtungen eingebaut als bei benzinbetriebenen Fahrzeugen, deren Tanks im Unfall- und Brandfall wesentlich kritischer sind als jene von erdgasbetriebenen Fahrzeugen.
ATG: Was passiert bei einem Unfall?
Kitzler: Durchgeführte Crash-Tests haben gezeigt, dass durch die spezielle Anordnung der Tanks im Fahrzeug keine Totalbeschädigung, zum Beispiel Aufplatzen der Tanks erfolgt und somit keine größere Gefährdung als bei konventionell betriebenen Fahrzeugen gegeben ist.
Jurik: Zusätzlich gibt es Sicherheitseinrichtungen, die automatisch die Zufuhr des Gases zum Motor stoppen, sodass kein Gas entweichen kann; maximal das, was noch in eventuell stark beschädigten Leitungen ist.
Kitzler: Im Fall eines Brandes bzw. einer starken Erwärmung haben die Gastanks Thermosicherungen, welche bereits bei ca. 110 °C öffnen und so das Gas kontrolliert ausströmen lassen. Die Thermosicherungen sind zumeist Schmelzlote oder Glasrohrsicherungen.
Jurik: Das Gas strömt durch die entsprechende Anordnung der Öffnungen gegen den Boden hin aus und verflüchtigt sich dabei schnell. Wenn bei einem Benzinfahrzeug ein Tank birst und das Benzin ausläuft, sich unter dem Fahrzeug sammelt und Dämpfe bildet, können diese bei Entzündung zu einer Explosion führen. Ausströmendes Gas sammelt sich jedoch nicht am Boden, weil Erdgas leichter als Luft ist. Im Brandfall ergibt sich infolge des kontrollierten Ausströmens eine kontrollierte Flammenbildung, jedoch keine Explosion.
ATG: Welche Schlüsse können aus dem erwähnten Unfall gezogen werden?
Kitzler: Prinzipiell hat dieser Unfall mit der Diskussion über die Sicherheit von Erdgasfahrzeugen nichts zu tun. Ein schwerer Unfall, etwa mit Personenschaden, kann genauso passieren, wenn jemand zum Beispiel an Bremsen oder Lenkung eines Fahrzeuges unsachgemäß Veränderungen vornimmt oder diese manipuliert. Man kann so etwas grundsätzlich und kurzfristig nicht verhindern. Hier kommt die Eigenverantwortlichkeit der handelnden Personen zum Tragen. Man kann nur durch entsprechende regelmäßige behördliche Überprüfungen des Fahrzeuges dafür sorgen, dass unsachgemäße Veränderungen am Fahrzeug nicht über längere Zeit hinweg und in gefahrdrohender Weise bestehen.
Darüber hinaus besteht ja die unmittelbare gesetzliche Anzeigepflicht des Fahrzeugbesitzers bei der zuständigen Behörde hinsichtlich am Fahrzeug durchgeführter Änderungen.
Jurik: Es hat zum Beispiel in Deutschland auch einen Vorfall gegeben, wo beim Tanken eines Erdgasfahrzeuges ein Tank geborsten ist. Das Auto war von einem Rückruf des Fahrzeugherstellers betroffen. Das hat der Fahrzeugbesitzer trotz mehrmaliger Aufforderung aus uns unbekannten Gründen ignoriert. Wenn ein Fahrzeug von einer Rückrufaktion betroffen ist und man betreibt es weiter, gefährdet man die Öffentlichkeit und sich selbst.
Kitzler: Im Schadensfall besteht damit ein klassisches Eigenverschulden des Fahrzeugbetreibers. Wenn einer Rückrufaktion des Fahrzeugherstellers trotz wiederholter Aufforderung nicht nachgekommen wird, kann das Fahrzeug die Betriebserlaubnis bzw. behördliche Zulassung verlieren. Dies unabhängig vom Auftreten oder Nichtauftreten eines Schadensfalles.
ATG: Wie ist ein Erdgasfahrzeug zu betreiben?
Jurik: Ein Erdgasauto kann man so betreiben und verwenden wie jedes andere benzin- oder dieselbetriebene Auto auch. Natürlich muss man die kraftstoffspezifischen Dinge beachten, so zum Beispiel bei der Betankung.
Kitzler: Die Betriebserfordernisse sind grundsätzlich vom Automobilhersteller über die Bedienungsanleitung und die Wartungsvorschriften vorgegeben. Darüber hinaus sind die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich regelmäßiger Fahrzeug-Überprüfungen, das heißt insbesondere die wiederkehrenden Begutachtungen des Fahrzeuges gemäß § 57a KFG und die periodischen Kontrollen der Fahrzeugtanks gemäß § 7 VBV zu beachten.
ATG: Unabhängig von den Unfällen: die Verkaufszahlen von Erdgasautos sind in Deutschland drastisch gesunken. Bis zu 30 Prozent.
Jurik: In Österreich leider auch.
ATG: Worauf ist das zurückzuführen? Das hat offensichtlich nicht nur mit den Unfällen zu tun.
Kitzler: Das hat mehrere Gründe. Primär ist der Dieselpreis so abgesunken, dass der früher bei Erdgasbetrieb gegebene erhebliche Kraftstoffkostenvorteil gegenüber Diesel, auf die Kilometerleistung bezogen, wesentlich kleiner geworden ist.
Jurik: Auch der nominelle Preis, der an der Tankstelle sichtbar ist, weist keinen so großen Unterschied mehr auf wie noch vor einigen Jahren. Der nominelle Preis an der Zapfsäule liegt, unterschiedlich je nach Bundesland und Anbieter, manchmal auch über dem Preis vom Diesel. Grundsätzlich wäre dabei der unterschiedliche Energieinhalt der beiden Kraftstoffe zu berücksichtigen. Der Preis für Dieselkraftstoff wird an der Zapfsäule in Liter, für Erdgas in Kilogramm angegeben. Beim Diesel beträgt der Energieinhalt je Liter etwa 10 kWh, bei Erdgas pro Kilogramm etwa 14 kWh. Das ist jedoch leider nicht ersichtlich für den Kunden.
Weitere Gründe: Wenn Sie zum Autohändler gehen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass dort ein Erdgasfahrzeug zum Testen zur Verfügung steht. Außerdem ist es in den meisten Fällen für den Autoverkäufer leichter, dem Kunden ein Benzin-/ Diesel-Fahrzeug einzureden, weil es viele Vorurteile gegenüber Erdgas gibt, die aber nur schwer zu widerlegen sind; vor allem, wenn man das Produkt nicht entsprechend beworben wird von den Herstellern.
ATG: Welche Ursache hat das?
Kitzler: Ursache ist letztlich die Inaktivität der Automobilwirtschaft im Bereich des Marketings und des Vertriebs. Fehlende Werbeaktivitäten, fehlende Motivation und Schulung der Automobilverkäufer sowie der vergleichsweise höhere Beratungsaufwand haben sehr großen Anteil. Ein Dieselfahrzeug allgemein bekannter Bauart kann der Verkäufer leichter und sogar über das Prospektblatt verkaufen als ein Erdgasfahrzeug, wo eben auch eine Beratung erforderlich ist.
Jurik: Dies auch, weil in den letzten Jahren ein sehr positives Dieselimage aufgebaut wurde. Es gibt jedoch erfreuliche Ausnahmen: In Tirol ist es ein Fiat-Händler. Wenn Sie ein Auto kaufen wollen, gehen Sie wahrscheinlich mit einem Erdgasfahrzeug raus. Das ist das Autohaus Fiat Lüftner in Rum bei Innsbruck, leider eine Einzelerscheinung, aber es zeigt, wie es funktionieren kann.
Eine weitere Ursache dafür, dass Erdgasfahrzeuge nicht an Fahrt gewinnen, ist der Umstand, dass das Thema von der Politik beharrlich ignoriert wird. Es wird bei Zukunftsmobilität oder der Berücksichtigung von Emissionsreduktionen ausschließlich auf Elektrofahrzeuge gesetzt. Seit Jahren leistbare, verfügbare und marktreife Möglichkeiten wie das Erdgasauto, das sehr schnell einen erheblichen positiven Umwelteffekt erzielen kann, werden nicht berücksichtigt. Allein der Umstieg auf ein Erdgasauto kann schon 15 bis 20 Prozent CO2 einsparen, Feinstaubemissionen (Partikel) gibt es praktisch keine, Stickoxid-Emissionen sinken um über 90 Prozent. Also gerade die Luftschadstoffe, die ein großes Problem für Atemwegserkrankungen sind, kann man mit Erdgasfahrzeugen sehr schnell reduzieren. Und zusätzlich kann man beim Betrieb mit Biomethan auch klimaneutral unterwegs sein, wie wenn man mit Öko-Strom fährt. Leider werden diese Vorteile nicht entsprechend berücksichtigt. Stichworte Sachbezugsbesteuerung für Dienstfahrzeuge oder Vorsteuerabzugsfähigkeit: Von Seiten der Politik wird derzeit ebenso nicht berücksichtigt, woher bei Elektrofahrzeugen der Strom kommt und vor allem, woher dies bei höheren Fahrzeug-Stückzahlen der Fall sein soll. Wenn man sich den europäischen Strommix anschaut, ist man mit einem Erdgas-betriebenen Fahrzeug wahrscheinlich sauberer unterwegs als mit einem europäischen Strommix-Fahrzeug. Aber das ist leider nicht durchgedrungen.
ATG: Ist das Erdgasauto teurer in Anschaffung und/oder Betrieb?
Kitzler: Nein. Hinsichtlich der Anschaffung entspricht es im Wesentlichen dem Dieselfahrzeug. Mittlerweile ist es teilweise auch schon günstiger. Durch die teuren Abgasnachbehandlungssyteme bei EURO-6- Dieselfahrzeugen wird das Erdgasfahrzeug, welches mit herkömmlichen Dreiweg-Katalysatoren auskommt, durchwegs konkurrenzfähig gegenüber dem Dieselfahrzeug. Auch hinsichtlich Betrieb ist kein höherer Kostenaufwand gegeben. Serviceumfang und –intervalle sind in etwa wie bei benzinbetriebenen Fahrzeugen.